Der Ursprung meiner Karriere
Ob Studium, Hobby oder erster Job – die verschiedenen Stationen im Leben prägen nicht nur die Persönlichkeit eines Menschen, sondern auch seine Karriere. Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft berichten, wie sie wurden, was sie sind.

Frank 
Seidensticker

Familie heißt nicht, dass man immer die­selbe Meinung hat. Allerdings dieselben Ziele.
Frank Seidensticker
Textilfabrikant
Übervater
Schon früh nahm mein Vater mich mit in die Firma und auf Dienst­reisen, sodass ich Unternehmensluft schnuppern konnte. Dabei spürte ich die Freude an dem, was er tat, und stellte fest, dass sein Tun auch an eine große soziale Verantwortung geknüpft ist. Diese Erlebnisse erklären, dass ich heute danach strebe, Spezialistentum und innovative Unternehmungen mit einem sozialen Engagement in Einklang zu bringen.
Übersee
Nach meiner kaufmännischen Ausbildung bei Hugo Boss ermöglichte mir das Unternehmen ein einjähriges Trainee-Programm in New York. Fernab von Ostwestfalen und der familien­unternehmerischen Struk­turen durfte ich Erfahrungen in einer von Globalisierung geprägten Umgebung sammeln, die das Bewusstsein für den internationalen Zeitgeist fördern, um diesen in der eigenen Markenwelt aufzugreifen.
Übernahme
Mein Cousin Gerd Oliver Seidensticker und ich führen das Unter­nehmen seit 2004 in der dritten Generation. Wir beide verbinden heute das Produktions-Know-how mit Markengespür und Werte­verständnis. Und die vierte Generation steht in den Startlöchern. Mein Cousin, meine Schwester und ich sind uns als Gesellschafter und als Familie einig: Es gilt, für die nachfolgenden Generationen einen bleibenden Wert zu schaffen.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: Privat (2), PR
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Wolfgang
Bosbach

Wir Politiker sollten uns nicht wichtiger nehmen, als wir tatsächlich sind. Unsere öffentlichen Aufgaben und Verantwortung ist wichtig – aber wir selber nicht.
Wolfgang Bosbach
Politiker
Bodenständig
Ein Weltbürger bin ich wahrlich nicht. Aufgewachsen – und geblieben – bin ich in Bergisch Gladbach. Mein Vater war als Angestellter einer Handelskette mehr unterwegs als zu Hause, meine Mutter organisierte
liebevoll die ganze Familie. Als Kind wollte ich Fußballprofi werden. Mein Talent reichte nicht, um davon eine Familie zu ernähren, aber zumindest später für 89 Spiele beim FC Bundestag.
Fleißig
Nach der mittleren Reife lernte ich Einzelhandelskaufmann, wurde Supermarktleiter bei Coop und machte später mein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg. Mein Jurastudium in Köln finanzierte ich mit meiner Arbeit für den Bundestagsabgeordneten Franz Heinrich Krey, bei dem ich zwölf Jahre war. 1972 trat ich in die CDU ein, begann meine Karriere in der Kommunalpolitik und arbeite seit 1991 als Anwalt.
Heiter
In den Bundestag zog ich 1994 ein und blieb 23 Jahre. Die Zeit Tür an Tür mit Bundeskanzler Helmut Kohl hat mich am meisten geprägt. Ich erlebte ihn als sehr nachdenklich, geschichtsbewusst, durch und durch überzeugten Europäer. Wir verbrachten viele heitere und ernste Stunden. Im Nachhinein hätte ich auch mit meiner Frau Sabine und
meinen drei Töchtern lieber mehr Zeit gehabt und weniger Ein­la­dungen angenommen.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: Privat (2), Picture-Alliance/dpa
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Antonia
Sautter

Wähle eine Tätigkeit, die du liebst.
Dann wirst du keinen einzigen Tag im
Leben arbeiten müssen.
Antonia Sautter 
Designerin und Erfinderin des Dogenballs
Träumerisch
Während meine Mutter auf dem Dachboden unserer Wohnung unweit des Canal Grande nähte, lernte ich für die Schule. Etwa Ge­schichte. „In welche Rolle würdest du gerne schlüpfen?“, fragte sie. Mich faszi­nier­ten der Orient und Königinnen. Nach ihrem frühen Tod mietete ich mit 18 Jahren eine kleine Boutique am Markusplatz und begann, meine eigenen Kreationen zu verkaufen.
Erfinderisch
Eines Tages stand Terry Jones im Laden, der Komiker der Monty-Python-Gruppe. Er brauchte Kostüme, Leute und Location für eine Ballszene in einem BBC-Film. Ich kannte niemanden, der das orga­nisieren konnte. Also habe ich mich selbst angeboten, meine Freunde zusammengetrommelt und die Truppe ausstaffiert. Zufällig war gerade Karneval. So entstand der erste Dogenball 1994.
Kämpferisch
Dieses Jahr folgt Nummer 27. Wie immer muss das Fest noch rau­schender werden als im Jahr zuvor. Alle Kostüme, Schuhe, Taschen, Masken sind von Hand gefertigt. Das Hochwasser im November hat zahlreiche Stücke zerstört. Aber wir sind Venezianer, wir sind Kämpfer. Ich habe durch meinen Vater auch noch eine deutsche Seite. Eine Herausforderung ist für mich ein Ansporn.
Redaktion: Karin Finkenzeller
Fotos: Privat, PR
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Claire
Midwood

Gehe immer so mit Menschen um, wie du auch selbst behandelt werden willst.
Claire Midwood
Chefin des Sexspielzeugversands Amorelie
Landleben
Ich bin auf einem Bauernhof in England aufgewachsen, in Bedford, westlich von Cambridge. Seit ich fünf war, habe ich jeden Morgen um fünf Uhr früh meinem Vater geholfen, die Schafe zu füttern. Als Kind wollte ich Landwirtin werden. Das Beste daran, auf einem Bauernhof groß zu werden, ist, dass man seinen Spielplatz direkt vor der Haustür hat – und jede Menge Abenteuer.
Mit Vorbildern leben
20 Jahre lang habe ich für Adidas gearbeitet. Adi Dasslers Einstellung zum Handwerk, zu Unternehmenswerten und Führung haben mich jeden Tag inspiriert. Als wir in New York auf der 5th Avenue ein Geschäft eröffneten, ließen wir eine lebensgroße Bronzestatue von Dassler fertigen. So sitzt er jetzt im Laden. Als ich von Adidas zu Apple wechselte, bekam ich eine Miniaturversion der Statue geschenkt. Ich schätze sie sehr.
Gesund leben
In meiner Rolle als Führungskraft habe ich die Bedeutung von Gesundheit und Wohlbefinden erkannt. Führung ist für mich wie ein Hocker mit drei Beinen: Geist, Körper und Gefühle brauchen Balance. Ist ein Bein kaputt, steht der Hocker nicht. Sport macht mich stark, ich bekomme den Kopf frei und gute Laune. Deshalb bin ich sport­begeistert – und stehe dafür wieder jeden Tag um fünf Uhr auf.
Redaktion: Sophie Crocoll
Fotos: Privat, PR
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Jochen
Schweizer

Das Leben ist nicht das, was geschah. Das Leben ist das, was wir erinnern.
Jochen Schweizer
Eventveranstalter
Erster Job
Ich wurde über den Kajaksport sozialisiert. Besonders erinnere ich mich an das strenge Regiment unseres Bootshauswartes: Wehe man hatte sein Kajak nicht abgetrocknet oder falsch verstaut! Das hat mich diszipliniert. In den Achtzigerjahren befuhr ich als Extremkajakfahrer die wildesten Flüsse und Wasserfälle. Zu dieser Zeit lernte ich auch Willi Bogner kennen, der mich als Stunt-Kayaker engagierte und der mich zu meinem ersten Bungeesprung inspirierte.
Letzter Sprung
Meine Stunts wurden immer gefährlicher. 1997 erhielt ich den Auftrag von Fisherman’s Friend, einen Weltrekord aufzustellen für den tiefsten Bungee-Sprung aller Zeiten. Am Morgen bevor ich mich aus dem Hubschrauber mehr als 1000 Meter in die Tiefe stürzte, rief mein damals achtjähriger Sohn an und sagte: „Papa, ich will nicht, dass du diesen Sprung machst.“ Da setzte bei mir die Erkenntnis ein, dass noch tiefer zu springen nicht automatisch mehr Glück bedeutet.
Neue Heimat
Es gibt Momente, in denen auch ein 62-jähriger Mann das Gleiche empfindet wie ein Kind auf einer Schaukel: pures Glück. So wie ich bei meinem ersten Flug im Windkanal in der Jochen Schweizer Arena im Jahr 2017. Die Arena ist heute das Zentrum meiner unternehmerischen Welt. Besucher können hier unter anderem fliegen, surfen und in Rennsimulatoren fahren. Gerade bauen wir das Areal zu einem Quartier mit Hotel- und Tagungszentrum aus.
Redaktion: Jan Guldner
Fotos: Privat, PR
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sebastian Feltgen

Dagmar Wöhrl

Erfolg ist ein Neben­produkt von Leiden­schaft und Hart­näckigkeit.
Dagmar Wöhrl
Politikerin und ehemalige Miss Germany
Beschaulich
Als Einzelkind war ich eher ruhig und wenig gesellig. Am liebsten habe ich gelesen oder meiner Oma im Garten geholfen. Meine Großeltern
lebten in einem Mehrgenerationenhaus bei Nürnberg. Ich bewunderte meine Mutter, die bei Siemens in Schichtarbeit arbeiten und dafür jeden Tag vier Stunden im Bus fahren musste. Mein Herzenswunsch
war, Tierärztin zu werden, aber der Numerus clausus für ein Studium war unerreichbar.
Beschäftigt
Während meines Jura-Studiums habe ich immer nebenbei gearbeitet und dabei meinen Mann Hans Rudolf kennengelernt. Dass ich 1977 Miss Germany wurde, war nicht geplant: Aber mit Modeln und Auto­grammstunden verdiente ich gut und gründete mein eigenes Unternehmen: Ich kaufte die Rechte an dem Schönheitswettbewerb
und holte Juroren wie Klaus Kinski und Gunther Sachs.
Beseelt
Da die Bundeswehr meine Bewerbung für eine Juristen-Stelle ab­lehnte, eröffnete ich eine Kanzlei. Als mir die CSU anbot, für den
Stadtrat in Nürnberg zu kandidieren, nahm ich das erst nicht ernst. Doch daraus wurden 23 Jahre in der Bundespolitik. Seit 2017 bin ich Investorin in der Start-up-Sendung „Die Höhle der Löwen“. Das Wichtigste aber ist meine ehrenamtliche Arbeit für sozial benach­teiligte Kinder.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: Privat/Imago Images
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Carel 
Halff

Mein Lebensmotto: Einfach machen. Einfach weitermachen.
Carel Halff
Vorstandsvorsitzender Bastei Lübbe
Schulabbrecher
Ich bin Sohn einer niederländischen Kaufmannsfamilie. Schon mit 16 zog es mich zu den Künsten, zum Jahrmarkt und zum Geldverdienen.
Die Schule musste ich verlassen und verdiente mit Nebenjobs und kleineren Geschäften Geld für die Lehrzeit in einem Verlag. Mit einer Sondergenehmigung machte ich externes Abitur und schrieb mich an der Uni Köln ein.
Kirchenmanager
Vor Studienantritt warb mich die katholische Kirche für einen Sanierungsfall ab: Mit 25 wurde ich 1976 Weltbild-Geschäftsführer und blieb es 38 Jahre lang. Aus dem Kirchenverlag wurde ein internationaler Verbund mit Milliardenumsatz. Eine tolle Zeit mit interessanten Autoren wie Anastasia Zampounidis. Doch der Konflikt zwischen unternehmerischen und kirchlichen Zielen führte 2014 zur Insolvenz.
Sanierer
2014 war ich frei, traurig und auf Sinnsuche. Ich gründete eine Beratung für schwierige Fälle in der Mode- und Medienwelt. Als Senior kann ich unabhängig, schnell und stringent Veränderungen umsetzen. Seit 2017 bin ich Vorstandschef des Verlags Bastei Lübbe. Im Portfolio haben wir etwa Michelle Hunziker – und unsere Bestseller-Reihe „Gregs Tagebuch“.
Redaktion: Georg Buschmann
Fotos: Privat
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Utz Claassen

Erfolg hat im Leben und Treiben der Welt, wer Ruhe, Humor und die Nerven behält.
Utz Claassen
Manager und Investor
Große Ziele
Als Jugendlicher war ich jeden Tag auf dem Boker, so heißen Fußball­plätze in Hannover. Oft auch mit meinem 50 Jahre älteren Vater. Meine Mutter sagte immer, ich sei so befassungs­intensiv, dass zwei wie ich jede Mutter überfordern würden. Ich wollte früh „Top-Manager“ werden, wusste zwar nicht so genau, was das eigentlich war, dachte aber, dabei wohl viel gestalten zu können.
Großer Auftritt
Mit 17 Jahren machte ich mein Abitur mit der rechnerischen Note 0,7, was mir einen Live-TV-Auftritt bei Blacky Fuchsberger einbrachte. Nach dem Studium von Wirtschaft und Design, vorübergehend auch Medizin, startete ich bei McKinsey, kam über Ford zu VW, wurde Vize­präsident von Seat in Spanien. Mein wichtigster beruflicher Glücksfall war, Ferdinand Piëch kennenzulernen, ihm verbunden sein und bleiben zu dürfen.
Große Liebe
Meine Karriere war leidenschaftlich und aufregend: Bei Seat wurde auf mich geschossen, bei Sartorius gab es eine Sympathiekundgebung der Belegschaft, und EnBW musste im Fokus von Politik und Öffent­lichkeit saniert werden. Heute leite ich die selbst ge­gründete Syntellix, welt­weiter Technologieführer mit ihren Magnesiumimplantaten. Da bleibt kaum Zeit für meine wirklich große Leidenschaft: Krökeln, so heißt in Hannover Tischfußball.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: PR/LAIF/Franz Bischof/Privat/imago images
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky
Jochen Zeitz, Willy Bogner oder Hera Lind: Entdecken Sie weitere Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft.

< Zurück

Weiter >

IQ Banner 1 - Ad Tile 3/1mob
Abo
eMagazin
App
Impressum
© WirtschaftsWoche 2019
IQ - Abschlussscript Werbung (dieser text wird online nicht angezeigt)