Der Ursprung meiner Karriere
Ob Studium, Hobby oder erster Job – die verschiedenen Stationen im Leben prägen nicht nur die Persönlichkeit eines Menschen, sondern auch seine Karriere. Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft berichten, wie sie wurden, was sie sind.

Arne
Schönbohm

Nichts zu entscheiden ist auch eine Entscheidung. Und oft ist es die riskanteste Alternative.
Arne Schönbohm
Präsident des Bundesamts für die Sicherheit in der Informationstechnik
Dienen
Mein Vater war Anfang der Achtziger im Verteidigungsministerium tätig. Bei einem öffentlichen Gelöbnis in Bonn riefen Demonstranten „Soldaten sind Mörder“. Das gab mir als Teenager zu denken. Wir haben daheim lange diskutiert, was es heißt, dem Staat zu dienen. Mir ist dabei klar geworden, dass ich etwas für die Gesellschaft tun will. Ich habe mich dann für den Bund entschieden.
Führen
Ich habe BWL und internationales Management studiert. Über meine Diplomarbeit landete ich bei der damaligen Daimler-Tochter Dasa. Die späteren Chefs von Airbus und der Deutschen Bahn, Tom Enders und Rüdiger Grube, waren meine Vorgesetzten. Beide haben mich durch ihre Führungsstile geprägt: Enders mit seinem zielorientierten Arbeiten, Grube mit seinem Gespür für Menschen.
Gestalten
Digitalen Wandel sicher voranzutreiben, das bestimmt mein Berufsleben. Bei der Dasa beschäftigte ich mich mit sicheren Kommunikationsnetzen, danach habe ich als Sicherheitsexperte Politik und Wirtschaft beraten. Als ich dann gefragt wurde, ob ich Chef des BSI werden wolle, habe ich zugesagt. Die Chance, die digitale Sicherheit von Staat und Wirtschaft zu gestalten, war schließlich einmalig.
Redaktion: Thomas Kuhn
Fotos: Privat (2), imago-images
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sebastian Feltgen

Gerhard
Schick

Es braucht gar keine Verschwörungstheorien, die Wirklichkeit ist krass genug.
Gerhard Schick
Einstiger Grünenpolitiker und Chef von Finanzwende
Gesungen
Als Kind einer katholischen Lehrerfamilie wuchs ich im schwäbischen Hechingen auf. Beim Sternsingen bekam ich zum ersten Mal ein Gefühl für Armut, als wir in einer winzigen Wohnung sangen. Einsamkeit verstand ich, als eine Witwe in Tränen ausbrach. Und Irritation entstand, als wir dreistimmig sangen: Wir waren stolz auf die anspruchsvolle Variante, aber die meisten wollten das Bekannte.
Kandidiert
In der Gemeinde kannten mich alle als Ministrant und Organist. Politik stand in all den Jahren definitiv nicht auf meinem Zettel. So war die Überraschung groß, als ich später für den Bundestag kandidierte. Doch manchmal gab es sogar Verbindungen zwischen meinem Hobby und der Politik. Als Abgeordneter habe ich einmal Klavier spielend mit dem Asta gegen Kürzungen an der Mannheimer Musikschule protestiert.
Aufgerüttelt
Freunde brachten mich erst zu den Grünen, später auf die Idee mit der NGO Finanzwende. Als ich 2005 in den Bundestag kam, hatte ich kaum Netzwerke, aber gute Teams. Angst machte mir eine Kanzlei, die mich von Cum-Ex-Themen abhalten wollte und mit einer Schadenersatzklage über 500.000 Euro drohte. Cum-Ex macht mich bis heute fassungslos: organisierte Kriminalität – nur ohne Säurebäder und Pistolen.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: Privat, PR
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sebastian Feltgen

Hannes
Ametsreiter

Meine Oma sagte immer: ‚Zeit kannst du nicht kaufen, du musst sie nutzen!‘ Das habe ich verinnerlicht und versuche, meine Zeit für die wirklich wichtigen Dinge zu verwenden.
Hannes Ametsreiter
Geschäftsführer Vodafone Deutschland
Konsequenz
Ich war zehn oder zwölf, als mein Vater, ein Ingenieur, eine Zusatzausbildung begann. Drei Jahre saß er nach der Arbeit bis in die Nacht über den Büchern. Er hätte das nicht machen müssen, er wollte es. Die Konsequenz, Dinge ganz oder gar nicht zu tun, prägte auch die Erziehung durch meine Eltern. Sie ließen meinen beiden Geschwistern und mir große Freiheit, welche Ziele wir uns setzen. Aber dann mussten wir uns auch mit vollem Einsatz dahinterklemmen.
Konkurrenz
Ein Hobby, das ich mit besonderem Elan verfolgt habe, war der Skisport. Ich bin lange auch Rennen gefahren. Das braucht viel Training und Durchhaltevermögen, aber du siehst an den Ergebnissen schnell, dass sich das lohnt. Dieser Wettbewerbsgedanke treibt mich bis heute. Und die Freude daran, wenn sich gute Vorbereitung auszahlt, weil die Dinge dann auch besser laufen – egal, ob im Sport oder in beruflichen Projekten.
Konzeption
Ich habe Publizistik und Sport studiert, um Journalist zu werden. Zeitweise habe ich ein Studentenmagazin produziert – von Fotos über Texte bis zum Layout. Aber dann wollte ich lieber selbst Ideen umsetzen als darüber zu schreiben. Also ging ich ins Marketing und kam Mitte der Neunzigerjahre in den Mobilfunk. Die Branche war irre dynamisch. Vieles, was wir da für Technikfantasien hielten, ist heute Realität. Die Welt weiterzutreiben, fasziniert mich bis heute.
Redaktion: Thomas Kuhn
Fotos: Privat (2), Patrick Schuch für WirtschaftsWoche
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sebastian Feltgen

Jürgen
Wessing

Es ist ein Vergnügen, zu sehen, wie viele Menschen mit Karacho offene Türen einrennen und an den verschlossenen blind vorbeigehen.
Jürgen Wessing
Strafverteidiger
Eigenbrötler
Als Kind war ich Eigenbrötler und bastelte an Radios herum. Hausaufgaben erledigte ich auf dem Schulweg und lernte, im Gehen zu schreiben. Mein Vater war kaum daheim, und wenn, erlebte ich seine Strenge. Er war Staranwalt der Industrie, beriet sogar Marlene
Dietrich. Deshalb wollte ich keinesfalls Jurist werden, sondern Meeresbiologe und wie Jacques Cousteau die Weltmeere erkunden.
Bummelstudent
Bei des Bundeswehr wurde ich schwer krank, lag 14 Tage im Koma. Während der Reha schrieb ich mich auf Vaters Drängen fürs
Jurastudium ein. In vier Semestern hatte ich alle Scheine, aber keine Lust mehr, und studierte ein Jahr in den USA. Zehn Jahre studierte ich alles Mögliche. Als ich meine Frau Helga kennenlernte, machte ich nach 22 Semestern dann doch Examen.
Zuhörer
Eins der ersten Mandate war der Hettchen-Fall: ein Mädchen, das ihren viel älteren Geliebten mit einer Armbrust getötet hatte (Foto). Am berührendsten war der Düsseldorfer Flughafenbrand: Auf Tonbändern zu hören, wie in der VIP-Lounge Menschen verbrannten,
war grauenvoll. Sie hätten nur die Tür öffnen, durch drei Meter Rauch zur Treppe gehen müssen und wären gerettet gewesen.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: Privat (2)/PR
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Marie-Agnes
Strack-Zimmermann

Ich bin sehr ungeduldig, aber in der Politik habe ich gelernt, viele dicke Bretter zu bohren. Mit dem Kopf durch die Wand, das funktioniert nicht.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann 
FDP-Politikerin
Inspiration
Meine Großmutter mütterlicherseits war nach dem Krieg eine der ersten Frauen im Stadtrat von Heidelberg. Als Achtjährige erlebte ich, wie bei ihr in großer Runde über Woh­nungsbau diskutiert wurde. Ich kapierte wenig, war aber beein­druckt. Die anderen Großeltern lebten in Westberlin – bei jedem Besuch sah ich, wie die Mauer wuchs. Ein Jahr nach deren Fall trat ich in die FDP ein.
Faszination
Mit 15 Jahren kaufte ich mir das erste Mofa. Danach sparte ich jeden Pfennig für eine Honda. Als ich endlich die 2000 Mark hatte, spen­dierte mein Vater die Versicherung. Meine heutige BMW habe ich mir zum 40. Geburtstag geschenkt und mit ihr schon ganz Europa durch­quert. Nur in den USA lieh ich eine Harley – das musste sein. Ich liebe Geschwindigkeit und den Wind beim Fahren.
Motivation
Mein Mann ist mein größter Unterstützer. Wir haben drei Kinder großgezogen, in den Neunziger­jahren übernahm ich neben einer Verlagstätigkeit erste kommunale Ämter. 2008 wurde ich Erste Bürgermeisterin von Düsseldorf, 2013 Mitglied im FDP-Präsidium, 2017 Bundestagsabgeordnete. Jedes Mal sagte er: „Natürlich musst du das machen!“ Jetzt kandidiere ich als Oberbürgermeisterin.
Redaktion: Nora Schareika
Fotos: Privat (3)/Imago Images
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Eike Schmidt

Das Leiten eines Museums ist Management und Sozial­psychologie in einem. Ausstellungen müssen so konzipiert sein, dass sie begeistern.
Eike Schmidt
Museumsdirektor der Uffizien in Florenz
Wildnis
Als ich klein war, wollte ich Tierfotograf werden. Der Schritt zum Kunsthistoriker ist kleiner, als man denkt. Ein Tierfotograf braucht große Geduld und muss die Landschaft ganz genau beobachten, um die Kamera im richtigen Moment schnell aufs Tier zu richten. Der Kunsthistoriker muss mit ebenso großer Ausdauer die Kunstwerke konzentriert betrachten und alle Details in den Blick nehmen.
Weite Welt
Während meines Studiums hörte ich in Bologna Vorlesungen von Umberto Eco, eine horizont­erweiternde Zeit. Erst viel später in den USA, wo ich ab 2001 an mehreren großen Museen arbeitete, lernte ich, dass ein Museumsdirektor nicht ohne Managementwissen auskommt: Wer den zahlenden Besucher gering schätzt, der scheitert. In Europa beherzigen das nicht alle Museen.
Wiederkehr
1994 kam ich zur Promotion nach Florenz. Seit fünf Jahren ist die Stadt meine zweite Heimat. Ein Teil der Kunstschätze sollte aber wieder in Italiens kleinere Städte und Dörfer gebracht werden. An ihren historischen Entstehungsorten entfalten sie ihre Wirkung am stärksten. Große und kleine Museen müssen kooperieren, damit die Besucher den Reichtum des ganzen Landes erkunden können.
Redaktion: Nora Schareika
Fotos: Privat (2)/Picture Alliance/AP Photo
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Gesche Joost

Karrierewege sind nicht vorgezeichnet, man muss sich selbst die Schneisen schlagen. Neugier und Mut sind dabei gute Begleiter.
Gesche Joost
Designforscherin und Digitalisierungsberaterin
Umbruch
Welchen Umbruch Digitalisierung bedeutet, habe ich bereits Ende der Siebzigerjahre in der 1897 gegründeten Druckerei meiner Familie erlebt. Damals hat der Fotosatz per Computer den Bleisatz abgelöst. Mit gut 40 Jahren mussten meine Eltern ihren Beruf neu lernen. Ihre Zuversicht, dass das gelingt, hat mich geprägt. Die Druckerei gibt es noch heute. Wandel ist deshalb für mich Chance, nicht Bedrohung.
Neustart
Mein Designstudium in Köln habe ich in den Neunzigern dadurch finanziert, dass ich mit einer Freundin für Unternehmen Webseiten
gestaltete. Wir waren Autodidakten, hatten aber tolle Kunden: Douglas, Davidoff oder Jill Sander. Dann platzte die Internetblase und damit unser Gründertraum. Für mich war das der Anstoß, noch mal was Neues zu wagen – und in die Forschung zu gehen.
Zukunft
Als Leiterin des Designbereichs der Telekom Innovation Labs, Digitalisierungsberaterin von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück,
SAP-Aufsichtsrätin oder Bereichsleiterin am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz: Oft war ich die erste Frau in diesen Techjobs. An meinem Lehrstuhl für Designforschung und vernetzte Textilien in Berlin hingegen überwiegen heute Frauen.
Das ist IT ohne Nerdfaktor.
Redaktion: Thomas Kuhn
Fotos: Imago Images/Privat
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Claudia Kemfert

Die Unsicherheit fossiler Energie­märkte hat sich schon in den Siebziger­jahren gezeigt. Der Klima­wandel macht eine Ab­kehr unab­dingbar.
Claudia Kemfert
Leiterin Energie, Umwelt, Verkehr am DIW Berlin
Früh berufen
Schon als Kind hatte ich Freude am Erforschen meiner Umwelt, sammelte und studierte zu Hause in Delmenhorst Käfer. Mathe war in der Schule eines meiner Lieblingsfächer. In Bielefeld, Oldenburg und Stanford studierte ich VWL mit Schwerpunkt Energiewirtschaft. Nach Stationen an den Unis Stuttgart und Mailand wurde ich mit 32 Deutschlands jüngste Juniorprofessorin in Oldenburg.
Weitblickend
Zukunft hat mich immer mehr interessiert als Vergangenheit. Statt Zahlen von gestern zu bilanzieren, wollte ich die von morgen modellieren. Ich fand sie in Oldenburg, wo vor 25 Jahren der erste Studiengang Erneuerbare Energien entstand. Ich erinnere mich an nächtelange Diskussionen mit Skeptikern, lernte aber auch Visionäre wie den Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber kennen.
Gefragt
Seit 2004 bin ich am DIW. Oft fragen mich Politik und Wirtschaft um Rat: etwa der damalige IWF-Chef Horst Köhler (rechts), Ex-EU­Kommissions­präsident José Barroso, die Umweltminister Sigmar Gabriel, Peter Altmaier, Svenja Schulze, Finanzinvestoren und NGOs. Meist geht es um die konkrete Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Denn was nutzt Forschung, die keiner anwendet?
Redaktion: Stefan Hajek
Fotos: Imago Images/Privat
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky
Frank Thelen, Jean-Remy von Matt oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Entdecken Sie weitere Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft.

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