Der Ursprung meiner Karriere
Ob Studium, Hobby oder erster Job – die verschiedenen Stationen im Leben prägen nicht nur die Persönlichkeit eines Menschen, sondern auch seine Karriere. Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft berichten, wie sie wurden, was sie sind.

Verena
Buchinger-Kähler

Im Zweifel höre ich immer auf mein Bauchgefühl. Ich rate auch anderen, im Zweifel in sich selbst hineinzuhören, dann findet man seinen Weg.
Verena Buchinger-Kähler
Klinikunternehmerin
Hilfskraft
Ich bin quasi in der Buchinger-Klinik aufgewachsen, da das Wohnhaus meiner Familie auf dem Klinikgelände liegt. Mein Taschengeld musste ich mir verdienen, so habe ich schon früh in der Klinik mit angepackt. Die dortigen Mitarbeiter waren wie eine zweite Familie für mich. Besonders geliebt habe ich die Besuche beim Gärtner mit seinem enormen Schatz alten Wissens.
Ärztin
Mein Wunsch, Ärztin zu werden, stand schon sehr früh fest. In meiner Familie gibt es seit vier Generationen Ärzte, aber ich bin die erste Frau darunter. Bevor es in die Familienklinik in Bad Pyrmont ging, trieb es mich nach dem Studium in Düsseldorf an die Uniklinik, dann nach Aachen, dort machte ich den Facharzt zur plastisch-ästhetischen Chirurgin. Mir gefiel dort vor allem die Zeit im OP-Saal.
Chefin
Seit 2016 leite ich mit meinem Mann die Otto Buchinger Klinik im Weserbergland. Gerade erwarten wir unser zweites Kind. Und hoffen, dass eines von ihnen in noch ferner Zukunft die lange Familientradition fortführt: Im Juli vor genau 100 Jahren hat mein Urgroßvater Otto seinen ersten Gast empfangen. Von seiner Methode bin ich bis heute überzeugt und faste selbst mehrfach im Jahr.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: Privat /PR
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sebastian Feltgen

Rafael
Laguna

Der Leitsatz, der mich heute antreibt, stammt vom Informatiker Alan Kay: Die beste Möglichkeit, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie zu erfinden.
Rafael Laguna
Chef der Bundesagentur für Sprunginnovationen
Der Entwickler
Mein erster Computer hatte einen 4-Bit-Prozessor mit 256 Bytes Speicher, den lötete ich mit zwölf Jahren zusammen. Vier Jahre später gründete ich meine erste Firma, mit der ich ein paar Jahre lang Software aus den USA importierte und hierzulande verkaufte. In meiner Familie sind fast alle Unternehmer. Mit 20 betrieb ich während des Zivildienstes nebenberuflich ein Kino – bis mich die Heizkosten ruinierten. Da heuerte ich lieber erst mal in Vollzeit als Programmierer an.
Der Investor
Meinen ersten Exit legte ich mit 31 bei Micado, einem Softwareunternehmen, hin. Anschließend arbeitete ich als Berater und Interimsmanager im Auftrag verschiedener deutscher und schweizerischer Risikokapitalgeber. 2001 konnten wir die Nürnberger Suse, den legendären Anbieter des alternativen Betriebssystems Linux, vor der Insolvenz retten – und drei Jahre später für 220 Millionen Dollar verkaufen.
Der Gründer
Bei Suse infizierte ich mich endgültig mit dem Open-Source-Virus, der mich bis heute nicht loslässt. 2005 gründete ich mit Frank Hoberg die Open-Xchange AG. Die entwickelt heute mit mehr als 270 Mitarbeitern E-Mail- und Bürosoftware, deren Quellcode für alle einsehbar ist, sodass sich bei der Entwicklung jeder einbringen kann. Und nun darf ich im Auftrag der Bundesregierung Erfinderinnen und Erfinder aufspüren, deren Innovationen unseren Wohlstand sichern.
Redaktion: Michael Kroker
Fotos: Privat (2), PR
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sebastian Feltgen

Jutta
Kleinschmidt

Normal ist einfacher,
aber auch langweiliger.
Jutta Kleinschmidt
Rennfahrerin
Seifenkisten
Ich wuchs in einem reinen Frauenhaushalt auf. Für meine Mutter, meine drei Schwestern und mich waren Rollenmuster kein Thema. Ich spielte zwar auch mit Puppen, setzte die aber in selbst gebastelte Seifenkisten. Außerhalb der Familie musste ich früh lernen, für meine Wünsche zu kämpfen: zum Beispiel die technische Jungen-Realschule in Freilassing nahe meiner Heimat Berchtesgaden zu besuchen. Dafür brauchte ich eine Ausnahmegenehmigung und bekam sie auch.
Rennmaschine
Nach meinem Physikstudium ging ich als Entwicklungsingenieurin zu BMW und fuhr 1987 als Zuschauerin zur Dakar-Rallye. Beim nächsten Mal wollte ich teilnehmen! Weil ich keine Garage hatte, baute ich die erste Rennmaschine in meiner Wohnung im dritten Stock. Die Küche war das Teilelager. Der Hausmeister durfte nichts mitkriegen, und dann passte das Motorrad nicht in den Aufzug. In einer abenteuerlichen Nachtaktion brachte ich es auf die Straße.
Ökoantrieb
2001 gewann ich als erste und bisher einzige Frau die Automobilwertung der Dakar Rallye. Ich suche stets neue Herausforderungen. Mit umweltfreundlichen Antrieben Rennen zu
fahren gehörte schon vor Jahren dazu, auch wenn das auf Wunsch des Sponsors nicht kommuniziert wurde. Als Präsidentin der Cross Country Commission des Automobil-Dachverbands FIA motiviere ich seit 2019 Hersteller und Motorsportler, alternative Techniken unter Extrembedingungen zu testen.
Redaktion: Karin Finkenzeller
Fotos: Privat (3)/Imago Images
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Margot
Käßmann

Meine Familie ist mir besonders wichtig. Es ist schön, Teil eines großen Miteinanders zu sein. Das geht mir auch so mit dem christlichen Glauben.
Margot Käßmann
Theologin und Buchautorin
Wurzeln
Aufgewachsen bin ich mit zwei älteren Schwestern im hessischen Stadtallendorf. Ab 1949 wurden dort Flüchtlinge aus dem Osten
angesiedelt. Meine Mutter, eine Krankenschwester, stammte aus Hinterpommern, mein Vater aus Hagen in Westfalen. Beide haben eine Tankstelle und eine Autowerkstatt aufgebaut. Eine glückliche, unbeschwerte Kindheit hatte ich, in der die Kirche eine wichtige Rolle spielte.
Chancen
1974 bekam ich ein Stipendium an einem US-Internat. Ich las dort Texte von Martin Luther King, wurde mit dem Holocaust konfrontiert – und beschloss, Theologie zu studieren. 1985 war ich Delegierte bei der Vollversammlung des Weltrates der Kirchen. Ich wurde in den Zentralausschuss gewählt und habe die nächsten 20 Jahre viele Kirchen und auch viele Länder der Welt kennengelernt.
Überraschungen
Als ich 1999 zur Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers gewählt wurde, da war das für viele eine Überraschung. 2009 folgte dann die Wahl zur Ratsvorsitzenden der EKD. Und zwar als erste Frau. Seit Juli 2018 bin ich im Ruhestand, schreibe Bücher und engagiere mich für das Kinderhilfswerk terre des hommes oder für das hannoversche Straßenmagazin „Asphalt“.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: Privat (3)/Imago Images/Müller-Stauffenberg
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Justus
Haucap

Viele VWL-Professoren lassen ihre Studenten zu viel rechnen. Wir brauchen ein Umdenken in der Lehre und ein ganzheitlicheres Verständnis der Ökonomie.
Justus Haucap
Wettbewerbsökonom, Exchef Monopolkommission
Umwege
Meine Kindheit habe ich in der Kleinstadt Quakenbrück in Niedersachsen verbracht. Eigentlich wollte ich Journalist werden, doch ein Freund meines Vaters empfahl VWL – und so kam es dann auch. Nach Studium und Promotion in Saarbrücken, einem Forschungsaufenthalt in Berkeley und weiteren Stationen durfte ich als Gründungsdirektor das Düsseldorf Institute for Competition Economics aufbauen – ein berufliches Highlight.
Laufwege
Der Wettbewerb beschäftigt mich nicht nur an der Uni, sondern auch im Stadion. Seit Jugendzeiten bin ich St.-Pauli-Fan und habe immer noch eine Dauerkarte fürs Millerntor. Mit der links-alternativen Fanszene dort teile ich politisch nicht viel, wohl aber das Eintreten für Minderheiten und die Skepsis gegenüber dem Staat. Meine eigene Fußballkarriere beim BV Quakenbrück endete in der B-Jugend, als Feiern wichtiger wurde als Training.
Auswege
Als Mitglied der Monopolkommission habe ich viel über das Zusammenspiel von Politik und Wissenschaft gelernt. Die Gutachten, die wir dem Wirtschaftsminister überreichten, haben bei der Liberalisierung des Strom- und Bahnmarkts durchaus geholfen. Das Interesse am Thema Wettbewerb wurde bei mir schon früh geweckt: in Neuseeland. Dort arbeitete ich von 1997 bis 1999 beim Schatzamt – zuständig für Wettbewerbspolitik.
Redaktion: Bert Losse
Fotos: Privat (3)/PR
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sebastian Feltgen

Hans Joachim
Schellnhuber

Ich habe alles, was ich gemacht habe,
mit Leidenschaft betrieben. Und ich habe
nie über fünf oder zehn Jahre hinaus
geplant. Was herauskam, war im Rahmen
der Möglichkeiten zufriedenstellend.
Hans Joachim Schellnhuber
Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung
Hochbegabt
Ich war etwa elf Jahre alt, als uns meine Volksschullehrerin Sonderstunden für die Aufnahmeprüfung zum Gymnasium gab, vor allem in Mathematik. Obwohl unvorbereitet, war ich wohl zehnmal so schnell wie die anderen. Vor allem Textaufgaben, bei denen ich logisch denken musste, fielen mir leicht. Da erkannten die Lehrer meine spezielle Begabung. Mein Abitur schloss ich später – unter verschärften bayrischen Bedingungen – mit 1,0 ab.
Tief berührt
Mit 23 Jahren reiste ich in den Semesterferien mit Freunden durch die Sahel-Region, in einem umgebauten Bundeswehr-Auto. Das war mitten in einer großen Dürre, die viele Nomadenstämme ins Elend stürzte. Alles war verdorrt, rechts und links lagen tote Kamele. Da begriff ich, wie bereits kleine Umweltveränderungen Kulturen zerstören. Der Auslöser dafür, Klimaforscher zu werden, war das aber nicht.
Weit gedacht
Ich habe in Physik promoviert, dann in Kalifornien geforscht und schließlich eine Professur in Oldenburg erhalten. Damals kam die
Chaosforschung auf, ich suchte Anwendungsbeispiele. Das hat mich schließlich zum Klimasystem geführt. Als später auch in der Politik die Sorge vor den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels größer wurde und der Bund ein Institut für Klimafolgenforschung
gründen wollte, da war ich zur Stelle.
Redaktion: Thomas Stölzel
Fotos: Privat (2), ddp Images/Horst Galuschka
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Ulrich
Wickert

Ich mache etwas, weil mein Bauch mir sagt: ‚Du hast Lust dazu‘
Ulrich Wickert
Journalist und Buchautor
Jungjournalist
Lesen und Schreiben waren mir naturgegeben. Zu Hause erlebte ich mit, wie mein Vater auf seiner Schreibmaschine Hörspiele tippte oder auch mal ein Buch. Doch obwohl ich selbst für die Kinderseite der Lokalzeitung schrieb, wollte ich Diplomat werden wie mein Vater. Daher studierte ich Jura in Bonn. Nach einer Studienzeit in den USA fand ich es dann zu langweilig, Beamter zu werden.
Welterklärer
Ein Traum wurde wahr, als ich das New Yorker ARD-Studio leiten durfte. Ich spielte mit Arthur Miller Tennis, traf Meryl Streep und Woody Allen. Später moderierte ich die Tagesthemen. Über den Abschiedsgruß von der „geruhsamen Nacht“ habe ich lange gegrübelt. Anstoß war der Brief eines Zuschauers, der den Wegfall des Sendeschlusses bedauerte, da keiner mehr „Gute Nacht“ wünsche.
Berufsträumer
Heute produziere ich einen Podcast und schreibe Bücher. Zuletzt habe ich mit meinen achtjährigen Zwillingen ein Kinderbuch verfasst. Sie haben dabei gelernt: Die Fantasie erlaubt alles. Ich selbst traute mich lange nicht an Krimis heran, weil mein Verleger mir sagte: „Sachbuchautoren können das nicht.“ Irgendwann probierte ich es trotzdem. Gerade schreibe ich an meinem siebten.
Redaktion: Camilla Flocke
Fotos: Privat, Picture-Alliance/dpa, PR
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Volker
Perthes

Ich glaube, dass Politik besser wird, wenn die Entscheidungsträger gut beraten sind. Und dass sie besser beraten sind, wenn sie Wissenschaftler fragen.
Volker Perthes
Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP
Reisender
Ich wuchs in Duisburg auf. Mein Vater war Ingenieur, wir lebten eine Weile in Schweden, und ich lernte mit sieben Jahren die erste Fremd­sprache. Einmal besuchte ich meinen Vater in Saudi-Arabien, wo er eine Baustelle leitete. Als Jugendlicher ging ich zu den Jungdemokraten, damals Jugendorganisation der FDP – vor allem wegen der Entspannungspolitik der sozialliberalen Koalition.
Forscher
Während meines Politikstudiums in den Achtzigerjahren war die Lage im Nahen Osten ein beherrschendes Thema. Ich wollte die Region besser verstehen und wählte Orientalische Philologie als Nebenfach. Mit einem Stipendium forschte ich für meine Dissertation über die politisch-sozialen Entwicklungen Syriens – damals ein verschlossenes Land. Und schon galt ich als Nahostexperte.
Vermittler
1991/92 lehrte ich an der Amerikanischen Universität in Beirut. Ab 1992 beschäftigte ich mich bei der SWP mit dem Nahen und Mittleren Osten, als Direktor seit 2005 dann auch mit erfreulicheren Entwicklungen in anderen Regionen. Persönlich bewegt mich die arabische Welt weiterhin. 2016 bis 2018 leitete ich die UN-Taskforce für einen Waffenstillstand in Syrien, die leider erfolglos blieb.
Redaktion: Nora Schareika
Fotos: Privat (2), PR
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky
Ulrich Wickert, Jutta Kleinschmidt, Claudia Kemfert: Entdecken Sie weitere Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft.

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