Der Ursprung meiner Karriere
Ob Studium, Hobby oder erster Job – die verschiedenen Stationen im Leben prägen nicht nur die Persönlichkeit eines Menschen, sondern auch seine Karriere. Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft berichten, wie sie wurden, was sie sind.

Reiner
Hoffmann

Gute Bildung ist für mich der Schlüssel für Chancengerechtigkeit und darf gerne auch Spaß machen.
Reiner Hoffmann
Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes
Arbeiterkind
Meine Mutter war Putzfrau, mein Vater Maurer und Gewerkschaftsmitglied. Die Mitgliedsmarken wurden alle zwei Wochen vom Kassierer vorbeigebracht. Als Kind war ich stolz, sie in das Gewerkschaftsbuch meines Vaters zu kleben. Meine Eltern haben hart gearbeitet und mir vorgelebt: Arbeit ist mehr als Broterwerb. Dieser Gedanke begleitet mich durch mein ganzes Leben.
Lehrling
Politisch sozialisiert wurde ich schon früh. Als Lehrling bei den Farbwerken Hoechst habe ich gelernt, dass sich nur im solidarischen Miteinander etwas bewirken lässt. So habe ich mich für die Einrichtung einer Jugendvertretung und die Verbesserung der Ausbildungsbedingungen engagiert. Ich hatte das Glück, auf dem zweiten Bildungsweg an der Gesamthochschule Wuppertal zu studieren. Auch dort habe ich mich im AstA engagiert.
Europäer
Schon früh habe ich mich für Europa begeistert. Als Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung absolvierte ich Mitte der Achtzigerjahre ein Praktikum beim Europäischen Gewerkschaftsbund. Die wenigen Monate in Brüssel haben mir gezeigt, wie inspirierend die kulturelle Vielfalt in Europa ist und dass ein soziales Europa die Grundlage für Weltoffenheit, Demokratie und Frieden bildet.
Redaktion: Kristin Rau
Fotos: Privat (2), PR/Detlef Eden
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sebastian Feltgen

Gloria von Thurn & Taxis

Immer heiter, Gott hilft weiter.
Gloria von Thurn & Taxis
Unternehmerin
Schlosskind
Weil mein Vater als Auslandskorrespondent in Afrika arbeitete, wuchsen meine Schwester Maya und ich in Togo und Somalia auf. Mit zehn Jahren kehrten wir zurück, wohnten auf Schloss Wildbadessen. Später ging ich ins Mädcheninternat Kloster Wald unweit des Bodensees. Bereits mit 19 lernte ich in München meinen Mann Johannes von Thurn und Taxis in einem Café kennen.
Sinneswandel
Weil ich schnell Geld verdienen wollte, habe ich leider nicht studiert. Mein schönster Job war der als Kunsthändlerin bei der Galerie Ketterer in München. Als Jugendliche habe ich mich vom Leben treiben lassen und instinktiv gehandelt. Doch die Begegnung mit meinem Mann änderte alles. Plötzlich erkannte ich meine Berufung als Mutter und als Ehefrau – und habe mein Leben radikal geändert.
Schicksalsschlag
Die großen Lektionen habe ich durch das Leben gelernt – durch das Leben mit meinem Mann, seine Krankheit und den frühen Tod 1990. Ich musste ohne ihn weitermachen mit drei kleinen Kindern. Das hat mich sehr geprägt. Eine besondere Begegnung hatte ich mit Swatch-Erfinder Nikolaus Hayek, der mir half, unser Familienunternehmen mit seinen Privatbanken, Immobilien, Industriebeteiligungen sowie einer Brauerei zu sanieren und Schloss St. Emmeram zu bewahren.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: Privat (3), Imago Images/Future Image
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Udo
Di Fabio

Demonstranten dürfen anklagen. Abwägen und Lösungen finden, das muss die Politik.
Udo Di Fabio
Ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts
Arbeiterkind
Aufgewachsen bin ich in Duisburg-Walsum, einer Bergarbeitergegend. Meine Kindheit war glücklich und turbulent. Wir lebten mit fünf Personen auf 60 Quadratmetern. Mein Vater war Spätheimkehrer aus dem Krieg. Da lagen altes Leid und neues Glück nahe beieinander. Doch entscheidend war: Ich wurde geliebt. Die Bodenständigkeit und der Fleiß der Menschen im Ruhrgebiet prägen mich bis heute.
Intellektueller
Ich war ein guter Schüler, aber kein Streber. Mit 14 ließ ich mich von den 68ern mitreißen und leitete im Jugendzentrum eine Karl-Marx-AG. Die Idee des sozialen Aufstiegs durch Bildung begeisterte mich. 1975 machte ich Abitur und studierte Jura und Sozialwissenschaften. 1993 wurde ich Professor für öffentliches Recht in Münster und wenig später Richter am Bundesverfassungsgericht.
Familienmensch
1991 lernte ich meine Frau kennen. Das war ein Schlüsselmoment. Als wir Kinder bekamen, wurde unser Leben neu gegründet. Die Karriere ist das eine, aber die Familie ist mehr. Entspannung suche ich auf dem Mountainbike und Motorrad. Technik begeistert mich. Daher lese ich die „Auto, Motor und Sport“. Als Kind baute ich Radios und Modellflugzeuge und wollte Pilot werden.
Redaktion: Hannah Krolle
Fotos: Privat
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sebastian Feltgen

Sebastian Thrun

Es lohnt sich fast immer, die Dinge
auszuprobieren, die auf den ersten Blick
unmöglich scheinen. Entweder man
schafft sie oder man lernt etwas dabei.
Sebastian Thrun
Chef und Gründer Udacity
Spätzünder
Mathematik, Physik und Chemie mochte ich schon in der Schule in Hildesheim immer viel mehr als Sprachen, Kunst oder Sport. Mich hat vor allem die Mathematik fasziniert; dass man dort Dinge beweisen kann, nicht bloß behaupten, inter­pretieren und auslegen. Eindeutige binäre Aussagen, richtig oder falsch, das gefiel mir. Ich war aber in der Schulzeit nie bei den Klassenbesten, eher in der Mitte.
Durchstarter
Das änderte sich im Studium, zunächst auch in Hildesheim. Als bei einer sehr unfairen Klausur 93 von 96 Kommilitonen durchfielen und ich eine Eins bekam, war mein Ehrgeiz geweckt. Leider ist an der Uni Mathe aber oft rein akademisch, bestimmt 80 Prozent meiner wissen­schaftlichen Texte braucht heute niemand mehr. Das war mir zu wenig. Ich suchte nach Möglichkeiten, sie anzuwenden.
Überflieger
Die fand ich an den Unis in Bonn und Pittsburgh: künstliche Intelligenz (KI). Sie war in den Neunzigern pure Grundlagen­forschung. 2001 erfuhr ich von einem Wettbewerb des US-Militärs: Man sollte ein führerloses Fahrzeug programmieren. Da wusste ich: Hier kannst du KI anwenden. Bei Google durfte ich das als Chef des KI-Teams weiterführen. Heute sind diese Autos im Alltag unterwegs.
Redaktion: Stefan Hajek
Fotos: Privat, Universität Hildesheim/dpa
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Tijen
Onaran

Nur wer sichtbar ist, findet auch statt. Wer seine Fähigkeiten schamhaft verschweigt, statt für sich zu trommeln, beraubt sich des Lohns für seine Mühen.
Tijen Onaran
Digitalnetzwerk-Gründerin
Leidenschaft
„Es gibt nichts, was Ihr wegen eures Geschlechts nicht könnt“, sagte meine Schuldirektorin am Mädchengymnasium in Karlsruhe. Als Kind wollte ich tatsächlich Polizistin werden und betrieb Kampfsport: Taekwondo bis zum blau-roten Gürtel. Schon als Teenager organisierte ich Events und die Theatergruppe und entdeckte meine Leidenschaft für Politik. Ich war eifrige Talkshow-Zuschauerin und diskutierte meine Familie in Grund und Boden.
Lektion
Fürs VWL-Studium war ich nicht so begabt. Nach zwei verfehlten Prüfungen war Schluss – und mein Vater enttäuscht. Aber ich war besessen vom Diskutieren und kam so zu den Jungen Liberalen. Umso erfolgreicher war mein Politik- und Geschichtsstudium in Heidelberg, das mich ins Europaparlament zu Silvana Koch-Mehrin führte. Im Bundespräsidialamt erlebte ich dann in Christian Wulffs Team seine große Krise, seinen Rücktritt und was das mit einem Menschen macht.
Berufung
Der unmenschliche Politikbetrieb war mir eine Lehre. Berufspolitiker wollte ich nicht mehr werden, lieber in die Wirtschaft gehen. Als Sprecherin der Business School Quadriga und des Automobilverbands konnte ich ausbauen, was nebenbei längst mein Ding geworden war: Ich avancierte zur Digital- und Social-Media-Expertin. Ich moderiere, berate und habe das Digitalnetzwerk Global Digital Women mit Mitgliedsfirmen und einer Community von über 30.000 Frauen gegründet.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: Privat (2), Laif
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sebastian Feltgen

Brunello Cucinelli

Ich möchte ein Wächter der Dinge
sein, ein Restaurator und damit ein
Vorbild für junge Menschen.“
Brunello Cucinelli
Modedesigner
Die Armut
In meiner Kindheit in den Fünfzigerjahren lebten wir als große Familie auf dem Land in Castel Rigone in der Nähe von Perugia ohne warmes Wasser und Strom. Wir bewirtschafteten die Felder. Es waren harte Zeiten, als Zehnjähriger musste ich auf dem Acker den Ochsen führen, sodass mein Vater mit dem Pflug eine gerade Furche ziehen konnte. Er war ein Vorbild für mich, stets mutig. Er lebte vor, was eine „anständige Person“ ausmacht.
Die Firma
Ein Freund lieh mir Geld, um Material für die ersten bunten Kaschmirpullover einzukaufen und eine Firma zu gründen. Sie machten meine Firma groß, Steve Jobs und Prinz William trugen sie. Vermögend machte mich die Börse. Die Belegschaft ist am Gewinn beteiligt, die Löhne sind überdurchschnittlich. Unsere eigene Schneiderschule gibt die Handwerkskunst weiter. Meine Töchter Camilla und Carolina arbeiten auch in meiner Firma mit.
Das Reich
In Solomeo, einem Dorf aus dem 14. Jahrhundert in Umbrien, wo auch mein Unternehmen ist, lebe und arbeite ich nach wie vor. Es ist auch die Heimat meiner Frau Frederica Benda, ihre Familie führte hier einen
Kurzwarenladen und hatte einen Textilbetrieb. Ich baute das ganze Dorf neu auf – auch ein Theater kam hinzu. Es ist mein humanistisches Projekt. Ich halte es mit Kaiser Hadrian, der sagte: „Ich fühle mich für die Schönheiten der Welt verantwortlich.“
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: Privat (3)
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sara-Verena Adamsky

Kai
Diekmann

Ich sage meinen Kindern mindestens dreimal am Tag: Viele Hände – schnelles Ende.
Kai Diekmann
Publizist
Märchenerzähler
„Kai hat schon wieder einen rosa Elefanten gesehen“, war das geflügelte Wort meiner Mutter über meine Geschichten. Sie glaubte sie nie. Aufgewachsen in Bielefeld prägte mich meine Schulzeit bei den Ursulinen, einem katholischen Gymnasium. Dort gründete ich meine 1. Schülerzeitung, „Passepartout“. Mit der Oberin des Ordensschule, Schwester Carola, habe ich noch heute Kontakt.
Missverständnis
Mein Anfang als Zeitsoldat bei der Bundeswehr war ein Missverständnis: Gefühlt zehn von zwölf Wochenenden durfte ich aus disziplinarischen Gründen die Kaserne nicht verlassen. Ich tat alles, was nicht explizit verboten war und zog absurde Regeln ins Lächerliche, etwa indem ich eine übergroße weiße Sonnenbrille („Sonnenbrillentrageverordnung der ZDV“) trug oder mir eine lange Locke ins Gesicht wachsen ließ („Haarerlass“). Erst bei der Bundeswehrzeitung war ich so glücklich, dass ich am Ende meiner Dienstzeit sogar Tränen vergoss, bevor ich zur „Bild“ ging.
Medienmacher
Meine Auszeit im Silicon Valley als Chefredakteur der „Bild“ 2012 und 2013 öffnete mir die Augen in Sachen Digitalisierung, etwa als Google-Gründer Larry Page ankündigte, dass es dank selbstfahrender Autos bald keine roten Ampeln mehr geben werde. 80 Führungskräfte von Axel Springer holten wir in die USA, um ihnen klar zu machen, dass wir uns schnell und heftig ändern müssen. Seit drei Jahren verfolge ich mein eigenes Geschäftsmodell mit „StoryMachine“ – einer Agentur, die sich auf Social-Media-Kommunikation spezialisiert hat.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: Privat (3)/Laif/dpa
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sebastian Feltgen

Felix
Ahlers

Das Leben ist zu kurz für schlechtes Essen, Kochen können gehört zur Grundausbildung für jeden. Nur wer kochen kann, weiß gute Lebensmittel zu schätzen.
Felix Ahlers
Vorstandsvorsitzender von Frosta
Apfelmus
Als Kind wollte ich eigentlich Silberputzer werden, denn das machten wir immer im Montessori-Kindergarten. Aber weil auch Apfelmuskochen auf dem Programm stand, entwickelte ich dann doch die größere Leidenschaft fürs Kochen. Schon als Schulkind legte ich mit Feuereifer Rezeptsammlungen an, ich nahm an Kochwettbewerben teil und spezialisierte mich schließlich aufs Backen.
Tütensuppe
In meiner Bundeswehrzeit als Hilfskoch in der Kasernenkantine musste ich so viele Tütensoßen einsetzen, dass ich ernüchtert war und eine richtig gute Küche kennenlernen wollte. Ich ging in die Lehre im Le Bristol in Paris, wo der Koch schon mal mit dem nassen Handtuch um sich schlug, wenn es ihm zu langsam ging. Nach zwei Jahren als Koch in Rom studierte ich Volkswirtschaftslehre in Kiel und arbeitete als Hotelmanager.
Reinheitsgebot
Nach harter Überzeugungsarbeit bei meinem Vater führte ich 2003 in unserem Familienunternehmen ein Reinheitsgebot ein: keine Zusatzstoffe und Aromen. 30 Cent mehr pro Gericht waren den Konsumenten zu viel, der Umsatz brach um 40 Prozent ein. Die Existenz der Firma war in Gefahr. Weil die ganze Belegschaft an die Idee glaubte, hielten wir durch. Die richtige Entscheidung: Die Umsätze stimmen längst wieder.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Fotos: Privat (2), PR
Gestaltung und Produktion: Marcel Stahn & Sebastian Feltgen
Claudia Kemfert, Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder Arne Schönbohm: Entdecken Sie weitere Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft.

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